Liebe Gäste, liebe Brüder, das Thema meines Vortrages lautet: “Wann ist man Freimaurer?”
Diese einfach Frage lässt sich aus „organisatorischer“ Sicht noch am
einfachsten beantworten. Sie werden in dem Augenblick zum Freimaurer,
wenn Sie die Initiation erlebt und vom Meister vom Stuhl in den
Freimaurer-Bund aufgenommen wurden. Bis auf den Begriff Initiation hört
sich das wie ein Vereinsbeitritt an.
Die Initiation ist jedoch etwas besonderes. Sie wird Sie verändern. Und
noch etwas macht diese Initiation aus. Sie lässt sich nicht rückgängig
machen. Sie können den Freimaurerbund zwar verlassen, aber das macht
die Initiation nicht ungeschehen. Sie bleiben somit bis zum letzten
Atemzug Freimaurer.
Sobald Sie im Freimaurer-Bund aufgenommen werden, eröffnet sich
Ihnen ein weltweit agierender Bruderbund. Über unsere Großloge
(AFuAMvD) und der Vereinigung aller Großlogen (VGLvD) ist es möglich,
Kontakt zu allen Logen und Brüdern der Welt aufzunehmen.
Sie sehen, so schnell kommt man an Millionen Brüder. Und das schöne,
sie alle ticken ähnlich und sind immer gerne bereit, einem zu helfen, egal wo.
Soweit der „einfache“ Teil und der „Gewinn“.
Doch dann als Freimaurer erwartet die Bruderschaft auch etwas von Ihnen.
In erster Linie ist Freimaurerei ein System, in dem man selber an sich
arbeitet. So weit so gut. Zusätzlich wollen aber auch die Brüder der
eigenen Loge, dass Sie sich einbringen und mitteilen. Denn Freimaurerei
ist auch ein Aus-, Fort- und Weiterbildungssystem. Hierzu ist es
unerläßlich, dass jeder Bruder nicht nur Schüler sondern auch Lehrer ist.
Wir sind alle verschieden, haben verschiedene Herkünfte, verschiedene
Berufe und Interessen. Daran wollen die Brüder teilhaben, um weiter zu
lernen, um neue Dinge zu erfahren. Eben Bildung auf allen Ebenen, von
allen durch alle. Und alle geben ihr Bestes.
Um das zu erreichen, versucht jeder Bruder auf seine Art, diesem Ziel
gerecht zu werden. Je nach seinen Interessen. So entsteht durch die
Brüder und deren Interessen eine Wissensvielfalt in der Loge, die man
sonst selten erlebt. Auch kann man neue Ideen im Bruderkreis
diskutieren, um zum Beispiel bei der Arbeit an sich selbst zu prüfen, ob
das eigene Gedankenmodell valide ist. Brüder hören zu, kritisieren wenn
nötig, positiv oder negativ, je nach Standpunkt und Wissen. So lernen die
Brüder durch die Brüder. Und das hat Rückwirkungen auf jeden Bruder
selber.
Wenn Sie glauben, sie sind irgendwann fertig mit sich, dann werden sie
schnell merken, dass ein Ende der Arbeit an sich selbst nicht erreichbar
ist. Jedes Alter hat seine Ecken und Kanten. Und auch bereits
Bearbeitetes bedarf einer Überarbeitung. So wie ihr Wissen stetig
zunimmt, wenn Sie es wollen, so ändern sich damit auch Einstellungen,
die früher mit anderem Wissen anders gewichtet wurden. Und kein Bruder
wird es Ihnen krumm nehmen, wenn Sie Ihre Meinung ändern. Das
passiert, wenn man denkt.
Und gerade hier liegt die Herausforderung der Freimaurerei. Nicht stehen
zu bleiben, Wege zu suchen und zu gehen. Und so sind auch unsere
Ideale, Toleranz, Menschenliebe und Brüderlichkeit, Ziele die sich über
die Zeit verändern, die entwickelt werden wollen. Es sind keine Werte,
denn Werte sind fix. Jeder Bruder entwickelt ein Verständnis für diese
Begriffe. Und alle Brüder zusammen leben diese Ideale auf ihre Art und
Weise in allen möglichen Ausprägungen.
Es ist auch kein Problem, wenn Brüder, selbst bei so unerschöpflichen
Themen wie der Toleranz, unterschiedliche Definitionen und
Wirkungsebenen für sich erkennen und erarbeitet haben. So kann es
passieren, dass ein Bruder plötzlich für sich herausfindet, das Toleranz
die Intoleranz in sich trägt. Gleiches gilt für die Wortpaare Menschenliebe
und Ausgrenzung oder Brüderlichkeit und Distanz. Es sind nicht immer
Gegensatzpaare, die man konstruieren muß. Oft steckt eins im anderen.
Es ist die Kunst, hier die Waage zu finden. Und daran kann man arbeiten.
Sie sehen, Freimaurer zu werden ist „einfach“, Freimaurer zu sein ist
etwas anderes. Fertiger Freimaurer wird man jedoch nie! Zu viel gibt es zu
lernen und zu erfahren. Alles bringt uns weiter, alle Brüder. Und bitte
glauben Sie niemandem, der Ihnen erzählt, er wäre seit 40 Jahren
Freimaurer und wisse alles über Freimaurerei. Hier fehlt nur die
Bearbeitung der eigenen Selbstgerechtigkeit, wenn man sie erkennt.
Was Sie mitbringen müssen ist die Lust am Lernen, aber auch die Lust,
andere an ihrem Wissen teilhaben zu lassen. Ausruhen ist fast unmöglich,
dass wird Ihnen der Redner der Loge, der für die Planung der Logen-
Abende zuständig ist, schnell zeigen. Immer wieder gibt es neue Themen,
neue Aufgaben, neue Wege in der Loge. Der persönliche Einsatz wird
zum Muß. Am Rande zu stehen und die Brüder zu beobachten und nur
Wissen abzusaugen ist mehr als unfair. Und auch Positions- und Titelgier
ist keine Eigenschaft, die unbemerkt bleibt.
Wachsen Sie mit den Brüdern. Nur wer Verantwortung lernt, kann auch
Aufgaben übernehmen und Verantwortung tragen. Neben den Brüdern ist
eine ehrliche Selbst-einschätzung der Gradmesser für den eigenen
Standpunkt. Niemals sollte man eine Aufgabe anstreben, die man nicht
erfüllen kann.
Die Freimaurerei versetzt Sie, wenn Sie wollen, in die Lage, Ihren
Standpunkt selber zu erkennen. Dieser Punkt ist die Basis Ihres weiteren
Weges. Wenn Sie sich Ihrer selbst bewußt sind, können Sie im nächsten
Schritt die nächsten Abschnitte Ihres Weges planen. Doch träumen Sie
bitte nicht zu weit in die Zukunft. Sie werden merken, dass fast alle Pläne
im Rückblick betrachtet, anders verlaufen sind.
Sie werden dann auch in etwa wissen, was Sie wollen, doch auch das
ändert sich mit der Zeit und Ihrem Wissen. Sie werden genauso gut
wissen, was sie nicht wollen. Diese Abgrenzung ist wichtig, den sie
verhindert Ärger und Wut über nicht eingehaltene Grenzen, die Sie
schützen. Nicht selten trifft dieser Ärger oder die Wut Menschen, die nicht
wissen, warum es sie trifft.
Freimaurerei ist etwas Notwendiges. Wenn es sie nicht geben würde,
müsste sie erfunden werden. Sie ist vergleichbar mit dem Leben. Ein
Baby muß lernen zu laufen, aber auch schon zu lernen. Als Kind geht dies
weiter, und als Jugendlicher und Erwachsener setzt es sich fort.
So ist die Initiation wie die Geburt in die Freimaurerei, der Weg ins Licht.
War es beim Baby in der Regel die grelle OP-Leuchte, so ist es beim
Freimaurer vielleicht das Licht des Wissens. Man muß nur wollen. Wer
nicht will, bleibt im Warmen sitzen. Ein Baby hat diese Möglichkeit nicht.
Es wird ins Leben gestoßen, ins Licht. Vielleicht brauchen auch wir
manchmal jemanden, der uns den entscheidenden Anstoß zum
Weitergehen gibt.
Es muß ja nicht immer der berühmte Tritt sein. Wenn Sie gehen lernen wollen, müssen Sie sich ein Ziel setzen.
Unterwegs lernen Sie viel Sinnvolles, aber auch manch Sinnloses. Sie
werden lernen, was für Sie wichtig ist.
Und so beginnt auch Ihr Weg als Freimaurer. Sie wissen annähernd
nichts. Nach und nach erfahren Sie mehr, ohne wirklich alles zu erfahren.
Denn nur Sie geben den Symbolen die für Sie richtige Bedeutung. Und
daneben können Sie sich von allen Brüdern und Menschen anregen
lassen, was es noch so alles gibt. Auch in der Freimaurerei. Bisher hat so
ziemlich jeder Bruder etwas für sich gefunden, selbst Themen, die
vollständig quer zu seinem Beruf stehen.
Und glauben Sie mir, es wirkt.
Ich hoffe ich habe Sie jetzt nicht entmutigt. Sie können Freimaurer
werden. Doch zuerst ein Baby-Freimaurer. Und dann kümmern sich die
gewonnenen Brüder liebevoll und verantwortungsbewußt um Sie, wie im
richtigen Leben. Ich wünsche Ihnen, dass Sie wie kleine Kinder die Welt
der Freimaurerei bestaunen, sich darin bewegen und immer neue
Eindrücke bekommen. Sie leben in einem weltweiten Laufstall!
Und wenn Sie Hilfe brauchen, sind immer Brüder da, um sie zu leisten.
Wenn Sie jetzt fragen, wie Sie aus dem weltweiten Laufstall
herauskommen, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Ich habe den
Ausweg auch noch nicht gefunden. Im Gegenteil! Ich will ihn auch nicht
mehr finden.
Wie weit sind Sie denn jetzt noch vom Schritt zum Freimaurer entfernt?
Liebe Gäste, liebe Brüder, meine Vortrag ist beendet. Ich freue mich auf die Schrittzähler der
Anwesenden, die hoffentlich rückwärts zählen.