Gästeabend am Freitag, dem 25. Februar 2023 – „Wollen und sollen wir Freimaurer Vorbilder sein“

Liebe Gäste, geliebte Brüder,
das Thema meines Vortrages lautet:
“Wollen und sollen wir Freimaurer Vorbilder sein?”
Wikipedia sagt zum Begriff „Vorbild“ folgendes:
Vorbild ist eine Person oder Sache, die als richtungsweisendes und
idealisiertes Muster oder Beispiel angesehen wird. Im engeren Sinne ist
Vorbild eine Person, mit der ein – meist junger – Mensch sich identifiziert
und dessen Verhaltensmuster er nachahmt oder nachzuahmen versucht.
Während umgangssprachlich unter „Vorbildern“ meist Personen
verstanden werden, die dem Betreffenden oftmals überhaupt nicht
nahestehen, weil sie bei ihm hohes Ansehen genießen, beschäftigen
Soziologen und Psychologen sich eher mit Rollenmodellen im
unmittelbaren sozialen Umfeld (Eltern, Peergroup), deren Verhalten
unbewusst nachgeahmt wird, was allerdings von großer Bedeutung für
einen individuellen Entwicklungsprozess sein kann.
Soweit Wikipedia.

Hört sich auf den ersten Blick nicht schlecht an. Wir Freimaurer, mit
unserer Art zu denken und handeln als Vorbild für die ganze Menschheit,
zum Wohl der ganzen Welt.
Halt! Hilfe! Was für eine Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit.
Betrachten wir die Aussage von Wikipedia noch einmal.
Folgende Begriffe sind dabei wichtig:
Wollen und sollen wir Freimaurer Vorbilder sein?
– richtungsweisend und idealisiertes Muster
– identifizieren
– nachahmen oder nachzuahmen
– nicht nahestehend
– große Bedeutung für einen individuellen Entwicklungsprozess
Gehen wir die einzelnen Punkt einmal durch.
Richtungsweisend und idealisiertes Beispiel
Welche Richtung geben wir denn vor? Die Freimaurerei hat keine
Richtung, in die sich die Gedanken der Menschen entwickeln sollen. Wir
wollen zum Denken anregen aber nicht zur Gedankenkontrolle. Wir folgen
bei unserem Denken Idealen, aber auch das schafft kein
richtungsweisendes und idealisiertes Beispiel. Also ist diese Aussage für
die Freimaurerei nicht relevant.

Identifizieren
Identifizieren bedeutet, die Motive eines Anderen zu übernehmen und sich
zu eigen zu machen. Dadurch würde man eine gleichdenkende und
handelnde Masse erhalten, aber keinen Freimaurer, der selbstständig
denken soll.

Nachahmen oder nachzuahmen
Die Freimaurerei sucht Menschen, die die Bruderschaft mit neuen
Fähigkeiten ergänzen und bereichern. Auch in der rituellen Praxis sind
neue Brüder willkommen, da sie oft alt Hergebrachtes hinterfragen und
den Brüdern neue Sichtweisen geben. In diesem Bezug wäre ein
stumpfes Nachahmen wenig sinnvoll, da es die Bruderschaft nicht
voranbringt.

Nicht nahestehend
Vorbilder sind oft Autoritäten, die man sich als Leuchtturm im eigenen
kleinen Leben aussucht, um größer zu erscheinen. Hiermit hätte die
Freimaurerei ein Problem, da die meisten Vorbilder aus unseren Reihen
kämen. Da wir aber die Nähe zu den Brüdern suchen, und uns auf
gleicher Ebene treffen, widerspricht dies der Freimaurerei.
Große Bedeutung für einen individuellen Entwicklungsprozess
Im Rahmen der Bedeutung für die eigene Entwicklung befindet man sich
in der Beziehung Vorbild – Vorbildnehmer in einer Lehrer – Schüler oder
Eltern – Kind Relation. Dies bedeutet aber auch, dass man sich nicht auf
gleicher Ebene bewegt und man als weniger erwachsen, als infantil
einzustufen ist.

Diese meine Gedanken zu den einzelnen Punkten entspringen meiner
Lebenserfahrung. Viele Menschen suchen sich im Leben Vorbilder, denen
man nachstrebt. Aber genau darin liegt die Problematik. Wir sind nicht
weniger als die Vorbilder wert. Wir können uns entwickeln, auch über den
Stand des Vorbildes hinaus. Und was machen wir dann?
Alle Menschen sind freie Individuen, alle haben wir unsere eigenen
Gedanken. Schon diese Basis unterscheidet uns von jedem anderen, den
wir als Vorbild nehmen würden. Und so zu werden wie dieses Vorbild
bedeutet, uns selbst aufzugeben.
Das man versuchen kann, einzelne Nuancen eines „guten“ Menschen in
seine Leben zu integrieren, bedeutet, dass es keine stumpfe Kopie sein
darf, sondern es muß mit unseren Eigenschaften in ein ausgewogenes
Ganzes integriert werden.

Für jeden Menschen ist es wichtig, sich zu entwickeln. Dabei ist es aber
genau so wichtig, dass man sich selbst entwickelt, mit seinen
Eigenschaften, seinen Ecken und Kanten. Ein bloßes Kopieren schafft
Marionetten, die alle in die gleiche Richtung laufen. Gleiche Richtung und
gleiche Gedanken sind jedoch jeder Entwicklung abträglich.
Die Freimaurerei lebt von diesen Unterschieden in den Menschen. Wir
benötigen es für die Weiterentwicklung und Gestaltung. Wir benötigen
jede ihrer Ecken und Kanten, jeden noch so merkwürdigen Gedanken.
Jeder kann sich dieser Gedanken oder einzelnen Teilaspekten bedienen,
um sich selber zu formen, die eigene Waage im Leben zu finden. Wir
leben miteinander, niemand ist besser oder höher. Denn wir sind alle auf
unseren Wegen, die soviele Formen haben, wie es Menschen gibt. Nur so
kann sich eine Gemeinschaft entwickeln, ihren Fortbestand sichern wenn
sie sich immer wieder hinterfragt und neu ausrichtet.

Vorbilder wären hierbei nur hinderlich, denn sie sind zu starr. Nach jedem
Erreichen müßte man ein neues Vorbild suchen, wenn es denn ein
passendes gibt. Und wenn man keines findet, was dann? Laufen wir dann
herum wie die verstörten Hennen, denen der Hahn abhanden gekommen
ist?
Die Weltbruderkette und ihre Freimaurer leben in diesem Gedanken der
Gleichheit aller Menschen. Keiner ist besser oder weniger Freimaurer, alle
gehen ihren Weg. Und jeder akzeptiert den Weg des anderen, egal ob er
ihn versteht oder nicht.
Diese Kraft in der Freimaurerei, die jeden Gedanken zulässt, die den
Gedanken keine Grenze setzt, ist Basis für ihre mehr als 300jährige
Existenz in der Welt. Viele Ideen sind gekommen und gegangen, vieles ist
passiert, was einen hätte glauben lassen, die Freimaurerei ist gescheitert.
Und doch ist sie immer noch da, und immer noch folgen wir den Idealen,
noch immer finden wir neue Brüder, die die Freimaurerei bereichern.
Für einen Vorbild-Freimaurer ist die Freimaurerei nicht zuständig. Es sollte
sich aber auch keine Bruder dem irren Glauben hingeben, er könnte es
sein. Dieses würde sofort ein Dogma begründen und die Freimaurerei
zerstören.
Liefern wir lieber weiter Gedanken und Nuancen, aus denen sich andere,
wie aus einem Blumenstrauß, die passende Blume oder Blumen für ihr
Leben aussuchen können, genau so, wie wir es auch machen.

Akzeptieren wir die Menschen, das sie Menschen sind und freuen wir uns
für ihren eigenen Weg, für ihren eigenen Lebens-Blumenstrauß ohne
Vorbilder, sonder mit der Möglichkeit der eigenen Gestaltung des Lebens,
eines einzigartigen Lebens in dem es Zeitverschwendung wäre, anderen
Blumensträußen hinterherzulaufen.
Natürlich gilt für einen aktiven Freimaurer das Handeln als Vorbild-
Funktion. Er strebt jedoch keine Identifikation mit Idolen an, sondern
bemüht sich um Anerkennung als Beispiel für die Mitmenschen;
beispielhaftes Streben nach Erkenntnis und lebenslanger Suche nach
Erfüllung freimaurerischer ethischer Werte durch aktiver Lebensgestaltung
sind die Basis seines Handelns.

So habe ich heute folgende Frage für sie: Wollen Sie, liebe Gäste, uns
Brüder als Vorbilder sehen, und ihr liebe Brüder, wollt ihr Vorbilder sein?
Ich für meinen Teil will es nicht sein, denn mir ist das Gespräch auf
Augenhöhe wichtiger.

Sehr geehrte Gäste, liebe Brüder,mein Vortrag ist beendet. Ich hoffe, die Diskussion wird fruchtbar.