Gästeabend am Freitag, dem 28. April 2023 – „Was ist Kunst“

Ich halte andauernd wieder Vorträge über Kunst, denn die Frage wird mir immer wieder gestellt.

Sag mal, was ist Kunst?
Und ich möchte euch heute auch genau diese Frage beantworten und versuchen aus
meiner Sicht zu erklären, was Kunst eigentlich ist. Denn ich habe die Behauptung
aufgestellt, dass man Kunst nicht kaufen kann. Und ich habe daher für Euch eine
Powerpoint-Präsentation vorbereitet, mit der ich das Ganze unterstütze und versuche jetzt
euch nahezubringen, was Kunst ist und wie Kunst entsteht bzw. was bei euch durch Kunst
hoffentlich ausgelöst wird.

Also die Frage: “Was ist Kunst?”
Ich habe darauf immer einen einzigen Satz, mit dem ich antworte. Und dieser Satz heißt:
Kunst sind die Prozesse, die ein Mensch in einer selbst erfundenen Sprache dokumentiert.
Das wirft Fragen auf und es kommt dann meistens zu stärkeren Diskussionen. Und wenn
wir dann auch noch, wie das in der jetzigen Kunstszene immer üblicher wird, davon
ausgehen, dass Kunst nicht zu kaufen ist Stellen sich neue Fragen.
Kunst kann man nicht kaufen.

Was soll das dann heißen? Schauen wir mal, was im Betriebssystem Kunst zu kaufen ist.
Zu kaufen ist ein Dokument, das heißt eine CD, ein Buch, ein Bild, eine Plastik, was auch
immer. Dieses ist aber nur ein Dokument. Dieses Dokument ist im Idealfall zu einem
Luxusgut herangereift. Das heißt, der Idealfall im Marktsegment ist, dass Kunst bzw. das
Dokument ein Luxusgut ist und einen möglichst hohen Preis erzielt. Das schulden wir
unserer kapitalistischen Sichtweise, denke ich mal.

Aber wir sollten einfach mal gucken, was Kunst noch mehr kann. Kunst ist eben nicht nur
ein Blatt Papier oder eine CD oder eine DVD. Sondern Kunst ist aus meiner Sicht deutlich
mehr. Das heißt, wir haben in der Mitte dieses Artefakt stehen, was auch immer das ist.
Aber wie kommt es zu diesem Artefakt? Wir haben auf der einen Seite den Künstler und
auf der anderen Seite haben wir, ich nenne das mal Rezipient, also den Empfänger, der
dieses Dokument, dieses Artefakt plötzlich sieht, hört, fühlt, eben wahrnimmt. Aber lassen
wir das Artefakt mal ein wenig zurücktreten. Treten auch wir zurück, gehen wir an den
Anfang.

Am Anfang ist der Künstler und mit diesem Künstler passiert etwas. Dieser Künstler erlebt
irgendwas, erfährt irgendwas. Dieser Künstler bekommt ein Initial und zwar aus sich
heraus. Er sucht dieses Initial freilich nicht selbst, aber er erfährt ein Initial. Es wird ihm
nicht nahegelegt, also von anderen angetragen, sondern er erfährt dieses Initial und es
passiert etwas mit ihm. Er fängt an zu fühlen. Er fängt an, eine Idee zu entwickeln.
Irgendwas in ihm läuft ab. Was auch immer das ist, das ist wahrscheinlich nicht zu
erklären. Das muss man erfahren. Das ist ein Prozess des Erlebens. Aus dieser Idee
heraus fängt er an zu denken. Das heißt, er bekommt ein Initial, er hat ein Gefühl. Und er
fängt aus diesem Gefühl heraus und aus dieser Idee heraus, die auch aus dem Gefühl
entsteht zu denken. Und wenn er dann in diesem Denkprozess ist, dann gehört dazu, dass
er das Ganze, was er denkt, auch analysiert.

Warum denke ich das? Er recherchiert nach. Er versucht zu schauen. Was dieses Thema,
das ihn da bewegt, untermauert und er fängt an, das Alles zu bewerten. Das heißt, er
überlegt, wie wichtig ist mir das wirklich, dass ich dann noch mal in den Ideenprozess
zurückgehe, aus dem Denken heraus die Idee weiterentwickele und dann daraus ein Motiv
entwickle. Eine Klangfolge. Das kann eine Skizze sein, das kann ein Satz sein, den er sich
aufschreibt, um damit dann weiterzuarbeiten. Er entwickelt aus diesem Motiv heraus dann
eine Symbolik. Das ist dann der Punkt mit der eigenen Sprache. Das heißt, er versucht
Welten zu erschaffen, die es bisher noch nicht gab. Und aus diesem Motiv und auch aus
der Symbolik heraus geht es weiter.

Er versucht, daraus etwas zu dokumentieren. Das heißt, er bringt das Ganze in eine Form,
um das festzuhalten, was er gefühlt, gedacht, recherchiert und was ihn bewegt hat. All
dieses, das Initial, die Idee, das Denken fließen in dieses Dokument hinein und erfüllen
das Dokument dann mit Inhalten. Er versucht etwas zu entwickeln. Und er belegt das
Ganze mit einem Code. Er will keine klare Aussage treffen, er will nicht beeinflussen,
sondern er will Fragestellungen auslösen.

Somit stellt er keine Fragen, sondern er löst Fragestellungen aus. Diese Fragestellungen
sollen im Idealfall ein neues Initial auslösen. Und dieses Initial wiederum wirkt dann hin auf
den Rezipienten. Das heißt, der Rezipient, so er offen ist, dafür geht auf die Fragestellung
ein, die in ihm ausgelöst wird. Er guckt „Was fühle ich?“. Er guckt: „Was denke ich? Was
passiert mit mir? Wieso passiert das mit mir?“. Das heißt, er kommt in einen ganz
ähnlichen Prozess wie der Künstler, nachdem er das Initial erhalten hat.
Und er entwickelt aus diesem Fühlen und Denken eigene Ideen, die auf ihn selber
zurückwirken. Diese Ideen haben aber nicht unbedingt ursächlich etwas mit dem
Kunstwerk zu tun. Mit dem Bild, mit der CD zu tun, mit der Musik, mit dem Text usw. zu
tun, sondern sie haben etwas mit demjenigen, der dem Ganzen ausgesetzt ist, zu tun.
Das heißt, es ist ein ganz eigener, ein innerer Prozess, der in demjenigen abläuft, der
Rezipient ist. Das Denken darüber und dieses Kreisen der Gedanken und dies Kreisen der
Gefühle, das löst etwas in Rezipienten aus.

Daran kann er sich entwickeln. Das ist ganz wichtig, dass er sich entwickelt, also
Weiterentwicklung seiner Persönlichkeit.
Wenn wir das alles Zusammennehmen und noch ein bisschen verstärken, dann kommt
etwas, das vielleicht Erkenntnis ist und das dann zu einem Stück Weisheit führt. Nicht
Wissen, sondern Weisheit. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt.
Aus diesem allen heraus ist dann festzustellen, dass der Prozess Kunst ein wesentlicher
Schritt ist, um sich als Individuum zu entwickeln. Er ist daher ein wichtiger Faktor in der
Weiterentwicklung unserer Gesellschaft, damit wir als Gesellschaft vorangehen, damit wir
nicht stehen bleiben, damit wir nicht zurückschreiten, sondern bewusst in die Zukunft
gehen, wir wollen diese ja erleben.
Genau das ist der Punkt.

Das müssen wir erreichen. Und ich hoffe, Ihr habt etwas mitgenommen und ich würde
mich freuen, wenn ihr jetzt mit allem, was als Kunstdokument existiert, also mit jedem
Buch, mit jeder Musik, mit jedem Musikstück, mit jedem Bild, mit jeder Plastik, mit jedem
Schauspiel, dass ihr damit anders umgeht, dass ihr nicht mehr fragt, sag mal, was will der
Künstler uns denn sagen? Oder sag mal, ist das Kunst?
Kunst wird durch euer Erfahren erst zur Kunst. Ich habe vorhin gesagt Kunst kann man
nicht kaufen. Nein, aber Dokumente kann man kaufen. Und ich finde es auch unheimlich
wichtig, dass diese Dokumente gekauft werden, denn damit ermöglichen wir genau den
Menschen, die diese Initiale für uns für unsere Weiterentwicklung schaffen, dass sie
weitermachen können in ihrem unermüdlichen Tun. Das sie nicht nur teilweise Künstler
sein können, dass sie nicht andere Berufe ausüben müssen, zum Geldverdienen Jobs
annehmen müssen, um diese Aufgabe Künstler sein zu erfüllen. Denn die Kunst ist für
euch genauso wichtig wie für mich und für alle Menschen auf der Welt.