Sehr geehrte Gäste, liebe Brüder, das Thema meines Vortrages lautet:
“Wir haben kein Geheimnis. Und Sie?”
Laut Wikipedia gilt für ein Geheimnis folgendes:
Ein Geheimnis ist eine meist sensible Information, die einem oder mehreren Eigentümern zugeordnet ist. Es soll einer anderen Person bzw. Personengruppe, für die es von Interesse ist/sein könnte, nicht bekanntwerden.
Die entsprechende Information wird häufig absichtlich in einem kleinen Kreis Eingeweihter gehalten.
Sie kann durch äußere Umstände auch vollkommen verloren gehen.
Im politischen Bereich wird für den Begriff auch das Fremdwort klandestin (ursprünglich von lateinisch
clandestinus ‚heimlich‘, ‚geheim‘) verwendet.
Als Gegenbegriffe gelten Öffentlichkeit, Transparenz und Informationsfreiheit. Im Kontext eines Mysteriums bezeichnet „Geheimnis“ ein Ereignis, das rational nicht erklärbar scheint oder einen Vorgang, dessen Hintergründe
aufgrund des Wirkens bestimmter „eingeweihter“ Personengruppen
(z.B. Priester, Schamanen, Magier, Sagenfiguren) für den gewöhnlichen Betrachter erwartungsgemäß und absichtsvoller Weise unklar bleiben.
Soweit Wikipedia.
Für die Freimaurerei könnte ich jetzt stumpf behaupten, wir haben kein Geheimnis. Doch woher kommt dann die Verbindung von Freimaurerei und Geheimnis und der darauf oft basierenden Verschwörungstheorien?
Schauen wir mal in die Geschichte der Freimaurerei. Basis aller Logen, die nach den Regeln der englischen Großloge arbeiten, ist die Konstitution der Freimaurerei. Diese wurde zum ersten Mal im Jahre 1723 veröffentlicht.
Am Ende dieser Konstitution sind vier Lieder aufgeführt.
Es sind dies:
– The Master’s Song
– The Warden’s Song
– The Fellow-Crafts Song
– The Enter’d ‘Prentices Song
Dieser Vortrag bezieht sich dabei auf das erste und zweite Lied, das Meister Lied und das Lied der Aufseher.
Der Chor nach den Strophen im ersten Lied lautet:
Who can unfold the Royal Art ?
Or sing its Secrets in a Song ?
They’re safely kept in Masons HEART
And to the ancient Lodge belong.
(Wer kann die Königliche Kunst offenlegen?
Wer kann ihre Geheimnisse in einem Lied wiedergeben?
Sie sind sicher im Herz des Maurers verschlossen
Und gehören der alten Loge.)
Eine Strophe im zweiten Lied lautet:
Their Secrets, ne’er to Strangers yet expos’d,
Preserv’d shall be
By Masons Free,
And only to the ancient Lodge disclos’d ;
Because they’re kept in Masons Heart
By Brethren of the Royal Art.
(Ihre Geheimnisse werden dem Fremden nie bekannt.
Gut erhalten sollen sie werden von den Freimaurern,
Und nur in der alten Loge sollen sie bekanntgegeben werden;
Weil sie im Herzen des Maurers aufbewahrt werden
Von Brüdern der Königlichen Kunst.)
In beiden Teilen der Lieder erscheinen die bis heute verwendeten
Reizwörter Königliche Kunst (Royal Art) und Geheimnisse (Secrets).
Sie wurden zu Reizwörtern, weil in der damaligen Zeit die Freimaurer vielmehr in der Öffentlichkeit in Erscheinung traten als heute, wenigstens in Deutschland. In Amerika nehmen Freimaurer bis heute an Paraden teil.
Bei diesen Paraden wurde natürlich auch gesungen. Das erste Lied ist ein Lied mit 28 Strophen, also entsprechend lang. Wenn man darin behauptet, man hätte Geheimnisse und nur Brüder der Königlichen Kunst
würden sie kennen, bleibt es natürlich nicht aus, das es Mitmenschen gibt,
die das wörtlich nehmen und etwas hineindeuten.
Wer heute noch behauptet, wir seinen eine Geheimgesellschaft, sollte sich überlegen, warum wir dann im Vereinsregister und im Internet zu finden sind, selbst Telefonbücher können helfen, an einzelne Freimaurer zu gelangen.
Ist das etwa geheim?
Und auch unserer Literatur hat fast durchgängig eine ISBN-Nummer, ist also bestellbar. Und selbst so etwas Geheimes wie unsere Rituale sind im Internet herunterladbar.
Was ist also unser Geheimnis?
Ich möchte ihnen noch einmal den zweiten Absatz der Wikipedia-Definition vorlesen:
Im Kontext eines Mysteriums bezeichnet „Geheimnis“ ein Ereignis, das rational nicht erklärbar scheint oder einen Vorgang, dessen Hintergründe aufgrund des Wirkens bestimmter „eingeweihter“ Personengruppen
(z.B. Priester, Schamanen, Magier, Sagenfiguren) für den gewöhnlichen Betrachter erwartungsgemäß und absichtsvoller Weise unklar bleiben.
Die Freimaurerei gehört zu den Mysterienbünden. Die Aufnahme in diesen Bund ist eine sogenannte Initiation, eine Reifefeier. Während dieser Initiation spielen gefühls-, akustische, körperliche und textliche Eindrücke eine Rolle.
Ein Gesamtkunstwerk, das alle Sinne des Menschen anspricht.
Und genau hier beschreibt das Wort Geheimnis etwas, das es so nicht unbedingt gibt. Es ist eher eine Art Sprachlosigkeit, die jeden Bruder befällt, wenn er erklären soll, was er erlebt hat.
Und jeder Bruder hat es in Nuancen anders erlebt. Wir könnten also, selbst wenn wir wollen, niemandem genau erklären, was mit uns passiert ist.
Und kommen wir noch zu einem Punkt, der auch oft als Beispiel eines Geheimnisses herangezogen wird.
Was wird in den Logen geredet?
Sie erleben es alle vier Wochen. Wir reden mit Ihnen. Mal in der Diskussion, mal in Einzelgesprächen.
Und schon vor dem ersten Besuch reden wir mit Ihnen.
Wir könnten natürlich jede Äußerung veröffentlichen, z.B. auf unserer Webseite bei den Zusammenfassungen unserer Gästeabende.
Das ist aber nicht unser Ziel.
Wir erzählen das, was Sie uns mitteilen nicht Anderen. Selbst keinem anderen Bruder. Auch nicht unserem Lebenspartner.
Diese Verschwiegenheit ist wichtig. Sie wurde seit Beginn der Freimaurerei beachtet, da in der damaligen Zeit,
die nicht ganz so friedlich war wie heute, eine freie Meinung auch schnell kopflos machen konnte.
Auch heute ist sie noch Schutz für uns. Kein Bruder erzählt in der Öffentlichkeit, wer denn die anderen Brüder seiner Loge sind. Auch nicht von anderen Logen. Niemand erfährt von den Internas der Loge,
auch nicht Freimaurer anderer Logen.
Aber, sind wir damit anders als andere Vereine, Schützenbrüder, Taubenzüchter und andere oder Berufsgruppen wie Anwälte, Richter und Journalisten und andere?
Nun könnten Sie einwenden, dann legen Sie uns doch die Rituale offen.
Könnten wir. Selbst die englische Großloge legt Rituale in ihrem Gebäude aus.
Aber wir wollen es nicht.
Wir wollen, dass sie bei der Aufnahme, Beförderung und Erhebung etwas erleben,
das sie noch nicht kennen.
Stellen Sie sich einmal vor, wir geben Ihnen das Ritual, Sie lesen es aufmerksam und bei der Aufnahme haken Sie im Kopf ab, was bereits passiert ist. Dadurch verpassen Sie dann andere Dinge, die von Bedeutung sind.
Zusätzlich kann unser Kopf bestimmte Kombinationen von unterschiedlichen Eindrücken, besonders Gefühle,
nur schwer simulieren. Was sie also erleben würden, ist dadurch nur ein Bruchteil
dessen, was Sie erleben könnten, wenn Sie vollkommen unvorbereitet aufgenommen werden.
Alles in Allem hat vielleicht wahrscheinlich nur das Liedgut der Freimaurer dafür gesorgt, dass man uns ein Geheimnis nachsagt, mit dem wir die Welt beherrschen könnten und es angeblich tun oder was immer man sich
vorstellen möchte oder hineininterpretiert.
Und auch die damalige Zeit kann mit dem Aufkommen der modernen Wissenschaften eine Basis für dieses Geheimnis gewesen sein, denn vielen war das Verständnis verschlossen. Das ist jedoch auch heute noch bei einigen Zeitgenossen gegeben.
Für mich, und das kann ich auch nur für mich sagen, ist an der Freimaurerei viel mehr öffentlich, als man sich vorstellen kann. Man muss nur danach suchen. Nachdem man das Grundwissen der Freimaurerei erfahren hat,
öffnen sich immer mehr Türen zu neuem Wissen. Und hinter jeder Tür kommt Neues hervor.
Mit dem Internet ist der Zugriff auf freimaurerische Texte explodiert.
Bücher aus den verschiedenen Epochen wurden digitalisiert und sind heute für jedermann zugänglich. Für mich, für Sie, einfach für jeden, der es lesen und erfahren will. Es war nie einfacher.
Die Freimaurerei verändert Menschen. Das wie, liegt dabei bei jedem Einzelnen.
Und das man sich verändert, ist kein Geheimnis. Es war noch bei jedem Bruder so, ob er wollte oder auch nicht.
Jetzt noch die kleine Frage im Titel.
Und Sie? Haben Sie Geheimnisse?
Davon gehe ich aus. Doch darin sind Sie auch nicht anders als wir. Jeder Mensch hat seine Geheimnisse. Auch in einer Loge muss sich keiner bis auf die Seele ausziehen. Ihre Geheimnisse gehören Ihnen. Und nur Sie entscheiden, was Sie preisgeben.
In der Logenarbeit und der weiteren Beschäftigung mit verschiedenen
Themen im Kontext der Freimaurerei werden Sie bestimmt vieles finden,
was sie vorher noch nicht kannten oder vermutet haben. Es ist aber nichts Geheimes.
Vieles was wir uns erarbeiten, haben andere Menschen auch schon getan.
Sie fallen uns jedoch erst auf, wenn wir selbst an diesem Punkt ankommen oder uns ein Mitmensch darauf hinweist.
Es ist also nur noch nicht in unserem Blickfeld.
Und wenn Sie Gedanken haben, die noch kein Anderer hatte, entscheiden Sie, ob Sie sie weitererzählen oder nicht.
Wir Freimaurer freuen uns an dieser Stelle immer wieder darüber, wenn Sie kein „Geheimnis“ daraus machen, denn es bereichert auch uns und kann auch Sie durch weitere Denkanstöße von uns weiterbringen.
Sehr geehrte Gäste, liebe Brüder,
ich wünsche mir im Nachgang keine geheimnisvolle Diskussion.
Wir haben es nicht nötig und sollten auch nicht damit spielen.
Daher die einfache Frage, oder auch nicht: Wieviele Geheimnisse braucht
der Mensch, und mit wem teilen wir sie?
Sehr geehrte Gäste, liebe Brüder, mein Vortrag ist beendet.
Literaturangabe:
– Wikipedia:
– https://de.wikipedia.org/wiki/Geheimnis
– https://de.wikipedia.org/wiki/Initiation
– The Constitutions of the Free-Masons (1734)
– The Constitutions of the Free-Masons (1723)
– http://freimaurer-wiki.de/index.php/Mysterienbund