Gästeabend am Freitag, dem 23. Oktober 2023 – „Joseph Beuys – die Wirkung der sozialen Plastik für die Zukunft“

Liebe Gäste, liebe Brüder,
ich habe heute drei meiner Bilder mitgebracht, die sich mit Beuys und somit auch mit der
sozialen Plastik beschäftigen, darauf möchte ich später nach dem Vortrag gern eingehen.
Zunächst ein paar Eckdaten zum Künstler Joseph Beuys:
Er wurde am 12. Mai 1921 in Krefeld geboren, wuchs später in Rindern bei Kleve auf.
Er meldete sich 1941 freiwillig zur Luftwaffe und wurde von dem späteren Tierfilmer Heinz
Sielmann zum Bordfunker ausgebildet.
Er stürzte am 16. März 1944 als Bordschütze und Funker durch eine Bodenberührung sei-
ner JU 87 ab und wurde verletzt.
Im Sommersemester 1946 immatrikulierte sich Beuys an der staatlichen Kunstakademie
Düsseldorf und studierte bei Joseph Enseling und später bei Ewald Mataré. 1951 wurde er
Meisterschüler bei Mataré.
1961 wurde er als Professor berufen und Nachfolger von Joseph Mages mit dem Themen-
gebiet monumentale Plastik.
Diese Professur trat er am 1. November 1961 an.
Er verabschiedete sich in dieser Zeit von der gängigen Kunstinterpretation.
Er bildete eine große Zahl von sehr unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten erfolgreich
aus. Zu ihnen gehörten beispielsweise Felix Droese und Katharina Sieverding sowie mit
Jörg Immendorff, Axel Kasseböhmer oder Blinky Palermo auch eine Reihe profilierter Ma-
ler.
Er lehnte sich gegen den Numerus Clausus auf. Wodurch in Folge, als Beuys mit abge-
wiesenen Studenten 1972 erneut das Sekretariat der Kunstakademie Düsseldorf besetzte,
ihn der damalige Kultusminister Johannes Rau fristlos entließ.
In der Folge erstritt er sich die weitere Nutzung des Professorentitels und sein Atelier in
der Kunstakademie auf Lebenszeit.
So konnte ich 1981-1982 auch im Atelier von Beuys an einer freien Studiengruppe Kunst
teilnehmen.
Am 23. Januar 1986 starb Joseph Beuys mit 64 Jahren, in seinem Atelier am Drakeplatz 4
in Düsseldorf-Oberkassel, nach einer Entzündung des Lungengewebes, an Herzversagen.
Die soziale Plastik entstand zunächst als kunsttheoretischer Begriff aus der, wohl auch
durch seinen Rausschmiss als Professor und der Umstände die dazu führten, erwachsen-
den Erkenntnis, dass ein Künstler seine Kreativität auch gesellschaftspolitisch einsetzen
muss. Er war immer bereit jungen Menschen beim Einstieg in die kreative Welt zu helfen
und nahm meist mehr Studenten auf als andere Professoren. Durch die dabei stattfinden-
den Diskussionen entwickelte er auch seine Theorien weiter.
So kam er zu dem Schluß, dass nicht nur bildende, darstellende oder schreibende Kunst
sowie Musik Kunst seien. Im Gegenteil sei jegliche menschliche Tätigkeit in die Kreativität
einfließt Kunst.
Diese Sicht wurde durch seine starke Verbundenheit zur Anthroposophie bestärkt. Hier
liegt sicher auch die Grundlage für die Idee, dass sich jeder Mensch kreativ in die Gesell-
schaft einbringen soll. Eine in anthroposophischen Kreisen gängige Aussage ist: “In das
Tun kommen.“ oder mit anderen Worten sich tätig einbringen.
Beuys stellt Forderungen an den Menschen auf, ist aber nicht bereit, typisch Künstler, dies
in klarer Sprache zu tun, sondern entwirft auch mit seinen Worten künstlerische, interpre-
tierungsfähige Fragestellungen. Er sucht nach dem Sinn der Kunst und findet zum einen
Ausweitungen, zum anderen aber auch Anforderungen.
Kunst ist nach seiner Ansicht der Weg die Gesellschaft in die Zukunft zu führen, denn der
kreative Blick auf etwas ist auch immer eine Vision und nur aus diesen können neue Lö-
sungsansätze entstehen.
Er weitet den Kunstbegriff aus und erklärt: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ doch, und das
wird oft vergessen, er formuliert weiter: „ob er nun bei der Müllabfuhr ist, Krankenpfleger,
Arzt, Ingenieur oder Landwirt.“
Er beschreibt es wie folgt: „Jeder Mensch ist ein Träger von Fähigkeiten, ein sich selbst
bestimmendes Wesen, der Souverän schlechthin in unserer Zeit.
Er ist ein Künstler, ob er nun bei der Müllabfuhr ist, Krankenpfleger, Arzt, Ingenieur oder
Landwirt. Da, wo er seine Fähigkeiten entfaltet, ist er Künstler. Ich sage nicht, dass dies
bei der Malerei eher zur Kunst führt als beim Maschinenbau …“
Aus diesen Erkenntnissen heraus, die er gern im Diskurs mit seinen Studenten und Mit-
streitern weiterentwickelt, fängt er an die Gesellschaft zu formen. Er gründet mit seinem
späteren Atelierleiter und Assistenten Johannes Stüttgen die Deutsche Studentenpartei. Er
richtet auf der Documenta 5 in Kassel ein Informationsbüro der „Organisation für direkte
Demokratie und Volksabstimmung“ ein.
Er hält Sommersymposien in Achberg in der Nähe des Bodensees ab. Bei diesen Treffen
auf Grundlage des Humanismus, wurden zum einen ökologische aber auch ökonomische
Ideen entwickelt. Auf diesen Grundlagen möchte die Gruppe die Freiheit und Internationa-
lität der Lehre heraufbeschwören und gründet die FIU, die „free international University“.
Ziel ist es den Zugang zur Bildung jedem, auch ohne Abfrage von Abschlüssen, zugäng-
lich zu machen und so Kunst, Gesellschaft und Ökonomie weiterzuentwickeln. Hier soll in-
terdisziplinär geforscht und entwickelt werden. Hergebrachte Denkstrukturen sollen aufge-
brochen werden. Beuys sagte dazu: „Ich will ja kein politisches Programm ausbilden und
sagen so muss es gemacht werden. Ich will anregen zu neuen, mit den alten konkurrieren-
den Einrichtungen, um das Alte nach und nach zu überwinden.“(AnM. des Autors: genau
darin sehe ich den Kern und die Aufgabe eines Künstlers)
Aus dieser Grundidee heraus entstehen „ThinkTanks“, die zum Beispiel versuchen
menschlich ökologische Solidarität in ein Bankmodell zu fassen. Es entsteht die GLS-
Bank. Eine Genossenschaftsbank mit Sitz in Bochum. Bis heute erfolgreich und so gut
aufgestellt, dass ihr die Bankenkrise 2008 nichts anhaben konnte. Anlegern wird offenge-
legt für welche Finanzierungen Ihr Geld eingesetzt wird und Kreditnehmer müssen nicht
nur einen Geschäftsbericht abgeben, sonder auch schildern was für Gesellschaft und Um-
welt getan werden konnte. Dadurch werden z.B. Spekulationen verhindert.
Eine weitere Idee ist es kleine und mittlere Unternehmen zu selbständigen aber dennoch
verbundenen Einheiten zu verknüpfen. Hierdurch gibt es nicht den Auftraggeber und den
Auftragnehmer sondern Partner die gemeinsam für Dritte tätig werden oder Produkte ent-
wickeln. All dies geschah unter dem Zusammenschluss A3W oder lang „Aktion dritter
Weg“. Ein Begriff der unterdessen, in anderem Zusammenhang, von Rechtsradikalen
missbraucht wird, so dass man sich eigentlich nicht mehr traut diesen in den Mund zu neh-
men.
All dies passiert in der Idee, vom Menschen und der Natur aus in die Zukunft zu denken
und führte damals mit zur Gründung der Grünen.
Was aber passierte und passiert sonst noch aus dem Grundgedanken der FIU?
Es gibt sicherlich keine Studiengruppen mehr, wie die an der ich 1981/82 teilnahm. Wenn-
gleich der Gedanke des Lernens von den anderen Mitgliedern der Gruppe und nicht von
einem Lehrenden, unterdessen durchaus an einigen Hochschulen praktiziert wird. Den-
noch gibt es Denkgruppen die Dinge, wie die direkte Demokratie, versuchen weiterzuent-
wickeln. Auch die Forderung nach dem bedingungslosen Grundeinkommen kommt ur-
sprünglich aus dem Umfeld der sozialen Plastik. Denn Beuys gab folgendes Statement als
Ausblick in die Zukunft ab: „Wenn dann einer ein Apparätchen erfindet, mit dem man 200
Arbeitsplätze spart, dann gibt es ja keine Arbeitsstrittigkeit wie heute. Sondern dann stei-
gen die Menschen aus, um ihre Fähigkeiten höherzuentwickeln. Und sie werden für diese
Fähigkeit des Sichentwickelns und Lernens bezahlt in genau derselben Weise, wie sie be-
zahlt würden für die Herstellung von Besenstielen.“
Wenn man dann aber seine Forderung sieht Kreativität in die Gesellschaft zurück zu ge-
ben, habe ich persönlich meine Zweifel daran, dass er eine Bedingungslosigkeit im Auge
hatte.
Festzustellen ist, dass Überlegung Werte innerhalb einer Gesellschaft nicht monetär, son-
der vom Nutzen für die Gemeinschaft zu bewerten auch auf den Grundgedanken der sozi-
alen Plastik fussen.
Auch die Frage nach dem Nutzen von Kunst sowie die Feststellung das Kunst nicht mit
Kunstwerk gleichzusetzen ist, kommen aus den Grundgedanken der Sozialen Plastik. Sie
machen deutlich, dass z. B. ein Bildwerk nicht nur zum Schmuck gedacht ist, sondern,
durch seine Fragestellungen und Imaginationen, den einzelnen zum Denken, Fühlen und
Tun anregen soll. Beuys hat es so formuliert: „Die Kunst ist das Bild des Menschen selbst.
Das heißt, indem der Mensch mit der Kunst konfrontiert ist, ist er im Grunde mit sich selbst
konfrontiert.
Er öffnet sich dann selbst die Augen. Also ist angesprochen der kreative Mensch, seine
Kreativität, seine Freiheit, seine Autonomie.“
Gerade gesellschaftspolitische Kunst, also alles was man unter sozialer Plastik zusam-
menfassen kann, wird für uns daher in der Zukunft immer wichtiger sein.
Noch mal Beuys: „Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden. Sonst bekommen
wir eine, die wir nicht wollen.“
Und getreu dem Moto: „Wer nicht denken will fliegt raus!“, was meinen Sie wie sich die so-
ziale Plastik weiterentwickelt und wie sie uns in Zukunft beeinflusst?
Noch ein paar Zitate:
1. Ich bin nicht der Ansicht, dass wir zum Beispiel in einer Demokratie leben.
2. Eigentlich bin ich dazu erfunden, den Menschen klar zu machen, dass es Politik
nicht geben darf.
3. Mit dummen Fragen fängt jede Revolution an.
4. Arbeite nur, wenn du das Gefühl hast, es löst eine Revolution aus.
5. Das, was am meisten zur Gestaltung drängt, sind nicht die Bilder oder die Skulptu-
ren, die gemacht werden müssen, sondern das Geld, das müsste umgeformt wer-
den.
6. Demokratie ist lustig.
7. Derjenige wird besser rationalistich denken könne, der sich mit Kunst genährt hat.
8. Nicht einige wenige sind berufen, sondern alle.
9. Kreativität ist das Gegenteil von Imitation.
10. Die Kreativität des Menschen ist das wahre Kapital.
11. Jetzt ist die arbeittragende Fähigkeit das Kapital. Geld ist ja gar kein Wirtschafts-
wert!
Der Zusammenhang von Fähigkeit und Produkt sind die zwei echten
Wirtschaftswerte. So erklärt sich die Formel des erweiterten Kunstbegriffes: KUNST
= KAPITAL.
12. Ich denke sowieso mit dem Knie.