Gästeabend am Freitag, dem 26. März 2021 – „Dematerialisierung“

Dematerialisierung
Durch das starke Wirtschaftswachstum einiger Schwellenländer im Zuge der
nachholenden Entwicklung nehmen die Stoffströme global gesehen
seit einigen Jahren stark zu.
• Die ökologischen Folgen dieser umfangreichen und zunehmenden
Stoffströme sind entweder negativ (z. B. Ozonloch, Klimawandel,
Versteppung) oder unbekannt. Daher verlangt das Vorsorgeprinzip
eine Stoffstromreduktion, um eine Überbelastung der ökologischen
Systeme (z. B. Grundwasser, Böden) auszuschließen.
Dematerialisierung bedeutet für die Umweltpolitik einen
Paradigmenwechsel, weil dabei der Schwerpunkt von der Outputseite der
Volkswirtschaft (Emissionen und Abfälle und deren Umweltwirkungen) auf
die Inputseite (Produktionsfaktoren) verschoben wird.
Das Konzept der Dematerialisierung wurde in den 1990er Jahren zuerst
durch Friedrich Schmidt-Bleek konkretisiert. Schmidt-Bleek plädiert für
eine Dematerialisierung um den Faktor 10: Die Stoffströme müssten sich
global gesehen um rund die Hälfte reduzieren, um wieder ein nachhaltiges
Niveau zu erreichen. Für industrialisierte Staaten wie Deutschland
bedeute dies eine Reduktion um den Faktor 10, also auf etwa 10 % der
derzeitigen Stoffströme. Zur Bewertung und Umsetzung von
Dematerialisierungsvorhaben entwickelten Schmidt-Bleek und andere ab
1992 das MIPS-Konzept.
MIPS steht für Material-Input pro Serviceeinheit (MIPS) und stellt ein
grundlegendes Maß zur Abschätzung des Umweltbelastungspotenzials
von Produkten und Dienstleistungen dar. Es wurde entwickelt, um
Strategien zur Dematerialisierung zu unterstützen und den ökologischen
Rucksack zu verkleinern.
Soweit Wikipedia.

Jetzt könnte jeder sagen, kenne ich nicht, betrifft mich nicht.
Sind Sie und Ihr Euch sicher?
Ich möchte Ihnen und Euch einen weiteren Begriff nennen, der sehr stark
mit der Dematerialisierung einhergeht. Es ist die Digitalisierung. Big Data,
KI, Cloud und das Internet der Dinge sind alles Begriffe der 5. Industriellen
Revolution. Wir stehen an ihrem Anfang, aber die Veränderungen, die auf
uns zukommen, sind exponentiell!
Doch was ist diese Dematerialisierung? Es ist der Wegfall von Dingen,
von Gegenständen. Alles wird zu einer App, einer Applikation. Diese
Applikationen können alles sein, was wir uns vorstellen. Nur einen Bereich
werden sie niemals auflösen, unseren Lebensraum.
Es verschwinden immer mehr Knöpfe an Geräten, die durch einen
Touchscreen ersetzt werden, aber auch ganze Geräte, Dinge des
alltäglichen Lebens. Und es werden mit jedem Tag mehr. Viele Dinge des
alltäglichen Lebens werden in Bits und Bytes umgewandelt. Eine
gesonderte Produktion ist nicht mehr nötig.
Ich möchte hier nur einmal einige Beispiele aufführen, die sich schon
dematerialisiert haben:
– Schallplatten → CDs → MP3 → App → Streaming Dienst
– Musikkassetten gibt es nicht mehr
– CD-Spieler → App
– Video Kassette → DVD → Streamen
– Reiseführer → App
– Navigationssystem → App
– Kalender → App
– Telefonbuch → App
– Zeitung → App
– Katalog → App
– Kaufhaus → App
– Wecker → App
– Fotos → JPEG, BMP, GIFF, …
– Photoapparat → App
– Photoalbum → App
– Taschenlampe → App
– Spiele → App
– Cloud → App
– Bücher → App
– Bücherregal → App
– Bankkonto → App
– Unsere Rituale als PDF
– Wasserwaagen → App
– Kompass → App
– QR-Scanner → App
– Und noch einiges mehr.
Alle diese aufgeführten Apps und Speicherstrukturen erwachen auf
unserm Handy, Tablet oder Computer zum Leben. Es gibt sie nicht mehr,
wir können sie nicht mehr greifen. Und auch der Speicher, die Cloud, ist
irgendwo. Es ist nicht mehr wichtig.

Allein das Handy hat für eine Verringerung des täglichen Reisegepäcks
gesorgt. Kein Telefonbuch mehr nötig, kein Computer nötig und kein
Photoalbum nötig, wenn bei einem Anruf sofort das Bild des Anrufenden
erscheint und ich zusätzlich nach dem Anruf eine eMail an den
Anrufenden erfassen kann, weil die eMail-Adresse zusammen mit vielen
anderen Daten als Kontakt gespeichert ist. Es wäre interessant zu sehen,
wenn wir alles mit uns herumschleppen müssten, nur um die gleiche
Möglichkeit zu haben.
Überlegen Sie und Ihr Euch doch einmal, was sich in unserem Leben
noch alles dematerialisieren lässt. Was könnte noch alles zur App
werden?
Doch Dematerialisierung geht noch weiter. So soll das Teilen (Sharing) in
großem Stil dafür sorgen, dass noch weniger Produkte benötigt werden,
hergestellt werden. Dies fängt beim Auto an, das die meiste Zeit des
Tages dumm herumsteht. Das betrifft aber auch Dinge, die sich jeder von
uns kauft, obwohl er sie nicht jeden Tag benötigt, z. B. ein Waffeleisen,
die Waschmaschine, den Wäschetrockner, den Staubsauger. Warum
nicht mit anderen teilen und so weniger CO2 für die Produktion von zwei
Staubsaugern erzeugen.
Wie viel umgibt uns, dass wir jahrelang im Keller liegen haben, nur weil
wir es beim Hausbau benötigt haben: Bohrmaschine, Stichsäge,
Kreissäge, Schleifmaschine, Hammer, Zangen, …
Und auch Bücher könnte man teilen. Man muss nicht jedes Buch selber
besitzen und dafür wieder und wieder einen Baum fällen.
Liebe Gäste, liebe Brüder, ihr seht, wir tragen eine große Verantwortung
für den Verbrauch von Ressourcen und die damit verbundene Ökobilanz.

Die Dematerialisierung wird viele Dinge, die es heute gibt, auflösen. Und
es wird immer schneller gehen, Viele Produktionen werden aufgegeben
werden, viele Menschen werden ihre Arbeit verlieren. Und es wird keine
neue Arbeit für diese Menschen geben. Produktionen, die wir vor vielen
Jahren in die billigen Entwicklungsländer verschoben haben, werden
zurückgeholt. Mit neuen Möglichkeiten, die der Einsatz von
automatisierten Produktionsstraßen und Robotern mit sich bringt, ist die
Produktion in Deutschland jetzt schon billiger als die Produktion in China.
Es werden also auch Menschen dematerialisiert. Wir verlagern keine
Arbeit mehr. Und damit auch keinen Wohlstand, den die vorherige Arbeit
ermöglichte. Wie dann Wohlstand für alle?
Die Dematerialisierung wird jedoch auch viel Energie benötigen. Man geht
momentan von der vierfachen Menge aus. Die Erzeugung dieser Menge
ist bisher nicht gesichert. Denn diese Energie muss sauber sein.
Für uns Menschen werden wir Zustände wie im alten Griechenland
erreichen, wo Sklaven die Arbeit verrichteten, und die Noblen in den Tag
lebten. Die heutigen Sklaven sind die Roboter. Doch wovon sollen die
Menschen leben, wenn es keine Arbeit mehr gibt?
An diesem Punkt beginnt unserer Gesellschaft zu wanken. Was passiert,
wenn 60 oder mehr Prozent keine Arbeit mehr haben, weil es keine Arbeit
für sie mehr gibt? Wovon sollen sie leben? Was sollen sie den ganzen
Tag machen?
Die Dematerialisierung wird unser Leben in einem Maß verändern, dass
wir heute noch nicht absehen können. Es wird alle Bereiche der

Gesellschaft betreffen, es wird keinen verschonen. Jeder auf der Welt wird
es spüren.
Doch in was für einer Welt werden wir dann leben. Ist die Würde des
Menschen noch unantastbar?
Über eines müssen wir uns klar werden. Ohne Grundeinkommen wird
diese Welt nicht mehr funktionieren. Steuern zahlen müssen dann die
Maschinen und Roboter, die die Arbeits-Menschen dematerialisiert haben.
Nur so ist ein Leben in Würde möglich.
Die Frage, was wir arbeiten wollen oder ob wir arbeiten wollen, ist die
große Frage unserer Gesellschaft. Wir müssen entscheiden, was wir mit
unserer Lebenszeit anfangen wollen, wenn wir keine Arbeit mehr haben.
Engagieren wir uns ehrenamtlich? Bringen wir uns in irgendeiner Form in
die Gesellschaft ein. Werden wir Sharing Großeltern und
Kinderkümmerer. Beneiden wir die wenigen Arbeiter und sehen wir die
Arbeit eher als Privileg oder Strafe? Lesen wir den ganzen Tag, dichten
wir und schreiben Bücher?
Es wird noch Arbeit geben. Ein neuer Beruf wird der Controller sein, der
die Maschinen kontrolliert. Es wird Erfinder geben und einige
Berufszweige, die verändert aber trotzdem weiterexistieren.
Elektrotechniker, Maschinenbauer und Informatiker gehören nach meinem
Dafürhalten dazu.
Doch welche Bildung benötigen unserer Kinder? Die aktuelle Schulform ist
nicht zukunftsfähig. Wissen steht heute allen Menschen mehr oder
weniger zur Verfügung. Alles dematerialisiert im Internet.

Warum dieses Wissen dann den Kindern noch einmal erzählen und eintrichtern? Unsere
Kinder brauchen Methoden, wie sie an Wissen kommen, wie sie
Informationen suchen und wie man das Wissen aufbereitet um darüber zu
diskutieren. Sie müssen nach ihren Fähigkeiten gefördert werden und
nicht wie heute, wo man ihre Phantasie im Laufe der Schulzeit zerstört.
Doch bei aller Dematerialisierung müssen wir festlegen, was wir wollen.
Dürfen wir, was wir können? Welche Grenzen müssen wir einhalten oder
beibehalten? Was nützt uns und was nicht.
Vielleicht erreichen wir das Schlaraffenland. Vielleicht wird dies unser
neues Lebenskonzept. Doch können Müßiggang, Gewalt als Nervenkitzel
und die Big Brother Arena als Ersatz eines Kolosseums das Ziel sein?
Welchen Sinn hat dann das Leben? Eine Degenerierung der Gesellschaft.
Ist das Ziel der Dematerialisierung das Ende der Gesellschaft, das Ende
der Entwicklung, das Ende der Phantasie?
Liebe Gäste, liebe Brüder, genau hier möchte ich den für viele Menschen
digitalen Horror beenden.
Die Dematerialisierung wird unser Leben erleichtern. Sie wird dafür
sorgen, dass wir uns mit den wichtigen Dingen des Lebens beschäftigen.
Viele Automatismen werden unser Leben zum Beispiel in medizinischer
Hinsicht verbessern. Wir werden besser informiert sein und Transparenz
über viele Wissensfelder erlangen. Wer Verantwortung trägt wird sich
verantworten müssen und nur wer den Menschen in den Mittelpunkt stellt
wird sein Unternehmen in die Zukunft führen.

Information wird das Maß aller Dinge. Jeder Mensch wird über seine
Informationen verfügen und mit jeder Stelle, die Informationen von ihm
benötigt, verhandeln, welche Informationen sie bekommt. Es werden nur
richtige Informationen vorliegen. Ein weiterer Punkt der Digitalisierung ist
die Blockchain. Sie sorgt für Transparenz und Sicherheit die im Umgang
mit Daten lebenswichtig ist. Ihre Verteilung sorgt zusätzlich für
Fälschungssicherheit.
Jeder Politiker wird sich überlegen müssen, ob er Unwahrheiten als Basis
nutzt. Wenn jeder an jede Information gelangen kann, wird die Unwahrheit
in Sekundenbruchteilen bekannt.
Ich kann nicht sagen, ob ich alles, was erfunden wird, gut heißen kann.
Aber genau hier beginnt die Verantwortung eines Jeden von uns. Das ist
der Auftrag an unsere Gesellschaft. Wir brauchen eine neue Ethik für die
Zeit, in der Lebenszeit und Lebensglück einen höheren Stellenwert
bekommen als menschenverachtende Arbeit und Gewinnmaximierung.
Wir Freimaurer werden uns prüfen müssen, welche Werte wir für die
Zukunft fortschreiben müssen. Die Ausbildung zu verantwortlichen
Menschen, die seit langer Zeit Aufgabe der Freimaurer ist, wird uns
bleiben. Nur starke Persönlichkeiten können nein sagen. Und nur starke
Persönlichkeiten wissen, dass verschiedene Blickwinkel eine
ausgewogene Handlungsweise ermöglichen.
Und betrachten wir noch kurz unseren heutigen Logenabend. Auch dieser
ist in dieser Zeit dematerialisiert, und trotzdem können wir beisammen
sein. Kein Logenhaus, keine Tischreihen, nur Nullen und Einsen.

Liebe Gäste, liebe Brüder, ich frage Sie und Euch: Löst ihr Euch schon
auf? Oder was in eurem Leben könnte man auflösen?
Geliebte Brüder, mein Vortrag ist beendet. Ich hoffe, es wird eine Diskussion, die
Substanz hat und die nicht dematerialisiert ist.