Gästeabend am Freitag, dem 25. Juni 2021 – „Freimaurer, Mitglieder unserer Gesellschaft“

Sehr geehrte Gäste, geliebte Brüder, das Thema meines Vortrages lautet:
“Freimaurer, Mitglieder unserer Gesellschaft.”

Liebe Gäste, liebe Brüder, wir Brüder der Loge sapere aude gehören
einem Bruderbund an, der die enge Verbundenheit eines jeden von uns
mit den anderen Brüdern symbolisieren soll. Wir sind Bruder unter
Brüdern.

Als Freimaurer haben wir uns den Idealen Toleranz, Anerkennung,
Menschenliebe, Brüderlichkeit, Offenheit und Meinungsvielfalt
verschreiben. Es sind hehre Ziele, denen wir gerecht werden wollen. Doch
nicht immer und auch nicht jedem gelingt dies.
Es könnte so einfach sein, doch spielt uns unser Kopf immer wieder einen
Streich. Wer glaubt nicht manchmal von sich, dass er der Bessere ist,
über Zweifel erhaben, mit einem allumfassenden Wissen – einfach perfekt
für einen Moment.
Wie erschreckt wären wir, gäbe es einen Spiegel, der unser wahres Ich
zeigen würde. Vielleicht würden wir darin eine gebeugte, verbeulte Person
mit Pickeln, zerrissenen Kleidern – eben bemitleidenswert und armselig
sehen.
Dabei gibt es diesen Spiegel. Doch scheinbar scheuen viele Menschen
einen Blick in diesen. Es sind die Mitmenschen. Oder sind diese Spiegel
für die eigene Person nicht brauchbar, nicht gut genug, unter dem nach
eigener Einschätzung so hohem eigenen Niveau?
Genau hier setzt die Freimaurerei an. Wir müssen lernen, dem Urteil
anderer zu vertrauen.
Es geht in der Freimaurerei auch nicht um herausgehobene Positionen
oder um die Fähigkeit, andere zu manipulieren. Es gibt nur den einen
Vorsatz, die Arbeit am eigenen rauen Stein.
Wir Brüder-Freimaurer sind alle gleich. Keiner ist herausgehoben, keiner
ist besser. Wir benötigen kein Imponiergehabe wie der Hahn, wobei ich
den Hahn damit nicht beleidigen möchte. Nur unsere Grund-Ideale
Toleranz, Menschenliebe und Brüderlichkeit sollen uns leiten und unser
Leben bestimmen. Auf gleicher Ebene, auf Augenhöhe.
Wir müssen unsere Mitbrüder und Mitmenschen anerkennen, ihnen
zugestehen, dass sie ebenfalls Wissen, wenn auch ein anderes als das
eigene, mitbringen und uns helfen können und wir ihnen. Die Freimaurerei
ist ein Bund von Verschiedenen Menschen und Meinungen. Jeder mit
seinem Wissen und Fähigkeiten. Aber auch jeder mit seinem Wert für die
Menschheit und die Bruderschaft. Niemand sollte als Alpha-Tier und
selbst überzeugte Führungsperson in eine Loge eintreten um die
Logenmitglieder vor sich herzutreiben oder die anderen Brüder als
nützliche Sklaven zu behandeln. Ein solches Verhalten zeigt schon in der
großen menschlichen Gesellschaft seine Auswirkungen.

Denn genau so wie in der Gesellschaft, aus der sich die Freimaurer-Logen
ihre Brüder auswählen, gibt es in ihr jede Art von Menschen-Typen. Es
gibt sie in jeder nur erdenklichen Ausprägung, und nicht nur reduziert auf
Hautfarbe, Religion und Sprache.
Doch darf dabei nicht vergessen werden, dass jeder Mensch ein Unikat
ist. Es gibt ihn in der Kombination von Genen, Familie, Geschwistern,
Gesellschaft und anderen Einflüssen nur ein einziges Mal.
All diese Typen von Menschen können in einer Loge zusammen kommen,
sie hat sie sogar nötig. Viele Meinungen und Fähigkeiten sind wichtig. Sie
sollten nicht gedeckelt werden. Anerkennung und Respekt sind die
Zauberworte, die dies ermöglichen.
Einbahnstraßen-Toleranz, wie sie oft, auch unter Brüdern herrscht, ist
nicht gewünscht. Oder wollen wir neue Brüder schneller abschrecken als
wir sie aufnehmen können? Oder nehmen wir nur noch Brüder auf, die
bestimmten Brüdern auch im Beruf nützlich sind? Das sind Ausprägun-
gen, auch in den Logen, die unser Bild nach Außen nicht zeigen soll.
Es bedarf ständiger Arbeit und Bemühung zu erreichen, dass wir uns in
unserem Verständnis und in unserer Haltung von Service-Clubs
unterscheiden.

Wir Brüder müssen ständig bereit sein zu lernen, dass alle Menschen
gleich sind. Jeder verdient es, so anerkannt zu werden, wie er ist. Keiner
sollte sich verbiegen müssen, um anerkannt zu werden. Dass wir alle
unterschiedliches Wissen haben macht niemanden besser oder
schlechter. Auch Herkunft, Hautfarbe, Sprache und Religion dürfen nicht
der Grund sein eine Aufnahme in eine Loge zu verweigern.
Wir sollten uns darüber im Klaren sein, was uns durch die Loge und
andere Brüder der Weltbruderkette gegeben wurde. Wer von uns agiert,
seit er aufgenommen wurde, noch in den gleichen Spähren wie vor seiner
Aufnahme. Was haben wir nicht alles an neuem Wissen, an anderem
Wissen abseits unseres Spezialisten-Wissens, kennengelernt, vertieft und
für uns weiter gedacht. Wir wollten es so.
Doch berechtigt dieses Wissen nicht zur Überheblichkeit und Selbstge-
rechtigkeit. Wir sind Brüder unserer Zeit, Menschen unserer Gesellschaft,
und auch unser Wissen wird überholt sein, wenn wir glauben, wir wissen
schon alles und das Lernen einstellen. Dann sind Überheblichkeit und
Selbstgerechtigkeit viel mehr der Deckmantel, unter dem man seine
eigene Unwissenheit verstecken kann. Dass dieser Mantel ein Leben lang
paßt, ist unwahrscheinlich. Zu viel Nichtwissen wird sich ansammeln.
Ich kann, auch als aktiver Bruder, nicht alles Wissen meiner Zeit in mir
vereinen. Ich für meinen Teil will es auch nicht. Ich fordere es aber auch
nicht von nur einem meiner Brüder und Mitmenschen. Jeder gibt mir einen
speziellen Einblick in seine Gedanken-Welt. Einiges davon kann ich für
meine eigene Erkenntnis verwenden, anderes nicht.
Freimaurerei ist ein Geben und Nehmen. Der andere Bruder und
Mitmensch ist dabei aber nicht verpflichtet, mein Wissen zu übernehmen.
Ein ja, ich will, aber auch ein nein, ich will nicht, ist jedem erlaubt. Wir
wollen keine Gemeinschaft, wo alle das gleiche, normierte Wissen haben
und das Gleiche denken. Das würde die Ideale der Freimaurerei der
Lächerlichkeit preisgeben.

In dieser Beziehung hat Albert Einstein Recht: Ein Abend, an dem sich
alle Anwesenden völlig einig sind, ist ein verlorener Abend.
Für mich sind alle gleich als Menschen. Wir sind alle verschieden, als
Freimaurer Individuen, niemand ist gleicher. Und jeder Mensch spiegelt
seine Umwelt. Glauben Sie es, oder glauben Sie es nicht. Wie bei „Des
Kaisers neue Kleider“ steht jeder Mensch oft „nackt“ vor den Brüdern und
Mitmenschen, auch wenn er vorgibt, völlig bekleidet zu sein. Wir können
uns nicht genug verstellen. Dies ist ein Trugbild, das unser Gehirn
produziert. Denn darin, neue Realitäten zu schaffen, ist es perfekt. Auch
unser Bild nach Außen entsteht in unserem Kopf. Wir glauben zu wissen,
wie uns die Anderen sehen, doch wir wissen es leider nicht. Nur wenn wir
den Projektor in unserem Kopf abschalten, und die Menschen um uns
fragen, bekommen wir eine Antwort, wie wir sind, wie die Mitmenschen
und Mitbrüder uns erleben. Wir sollten auf diese Antworten nicht
verzichten.
Als Kind habe ich den Spruch „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist
die Schönste im ganzen Land.“ immer dahingehend verändert, dass ich
sagte „Spieglein, Spieglein an der Wand, ich weiß, dass ich schön bin.“
Perfektes Kopfkino, doch eher Science Fiction als Realität. Mit dem heu-
tigen Wissen und meinen Erfahrungen bin ich froh, dieser Allmachts-
Phantasie nicht weiter Raum gegeben zu haben.

Jeder muß für sich selber entscheiden, ob er die Brüder und Mitmenschen
als Spiegel nutzt, um seine Ecken zu erkennen, oder ob er lieber vor
dieser Art der Selbsterkenntnis die Augen schließt oder davor flüchtet.
Sollte jedoch Selbstgerechtigkeit und Ignoranz die Triebfeder für die
Missachtung der Brüder und Mitmenschen und deren Meinung sein, so
führt kein Weg zu uns. Dann ist es schade um diesen Mitmenschen.
Wir müssen in dieser Welt versöhnend wirken auf Brüder und
Mitmenschen. Wir haben eine Zeit erlebt und erleben sie noch, die für
jeden von uns neu war und ist, in der sich jeder wiederfinden musste. Wir
haben uns mit unseren Logen in die Online-Welt begeben, doch viele
unserer Ideale sind Online nicht lebbar. Auch haben wir bisher keine Idee,
wie wir Online den Spiegel aktivieren können. Diese Herausforderung
betrifft unsere ganze Gesellschaft, die ganze Menschheit.
Corona hat uns einen Spiegel vorgehalten, dass wir unsere Aktivitäten
anpassen müssen. Die fehlende Nähe zu den Mitbrüdern und
Mitmenschen ist dabei jedoch ein Hindernis, für das wir bisher keine
Lösung haben. Daher ist es unumgänglich, dass wir als Mitglieder dieser
Gesellschaft und als Freimaurer Ideen entwickeln, um den Brüdern und
Mitmenschen Halt zu geben, um die offene Gesellschaft und den
Austausch von Wissen aufrecht zu erhalten und die Menschen wieder
zusammenzubringen.

Nur das Reden miteinander, das spiegeln, schafft eine, unsere,
Gesellschaft. Schweigen und Streit zerstören sie nachhaltig. Solches als
Spiegel zu erleben ist nicht mein Ziel und macht mich in einigen
Begebenheiten entsetzt und traurig. Doch dies ist mein Thema, für das ich
für mich eine Lösung finden muss.
Denkt einmal an den Spiegelsaal in Versailles? Er erlangt Größe und
Freiheit durch die Spiegel. Wäre dies nicht auch für unsere Gesellschaft
ein lohnendes Ziel, durch Spiegelungen Raum, sprich Freiheiten, zu
erlangen, egal ob im Geist oder im Leben Miteinander?
Liebe Gäste, liebe Brüder, beide Mitglieder dieser Gesellschaft: Wollt Ihr
Maurer und Gäste dieser Gesellschaft helfen und ihr als Spiegel dienen?
Wollt ihr euch beteiligen, einbringen und miteinander reden, auch wenn
die Gespräche nicht immer angenehm sind?
Geehrte Gäste, geliebte Brüder, mein Vortrag ist beendet. Ich hoffe wir produzieren Lösungen für die
Probleme unserer Zeit und für eine sich spiegelnde Gesellschaft mit
unseren Gästen und Brüdern.